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Janusz Korczak

  Home / Texte / II / Janusz Korczak

Sigurd Hebenstreit

Provokationen: Mit Janusz Korczak den erzieherischen Alltag neu erblicken

in ähnlicher Weise unter dem Titel „Janusz Korczak – Provokative Gedanken zu einem bekannten Pädagogen“ in: Kindergarten heute, 1999, Heft 2, S. 16 bis 20

 

Janusz Korczak ist ein ungewöhnlicher Pädagoge. Diese Aussage gilt für seinen Lebenslauf und auch für seine uns zugänglichen Texte: Er schreibt nicht wissenschaftlich, benutzt keine Fremdwörter und leitet seine Thesen nicht systematisch her. Er ist vor allem ein Geschichtenerzähler, der über alltägliche Geschehnisse des Lebens berichtet. Zwischen der Fülle der Geschichtchen stehen dann markante Sätze, die man sich ausschneiden kann und über die es sich lohnt nachzudenken. Mit seinen Erzählungen will er nicht unterhalten, sondern er fordert den Leser auf, seinen eigenen Kopf zu gebrauchen. Das eigene Leben, die eigenen Erfahrungen in der Praxis sind wichtig. Es gilt sie als Beobachtungsmaterial ernst zu nehmen und an ihnen über die Fragen der Erziehung nachzudenken. Man kann Bruchstücke einzelner Zitate Janusz Korczaks als Diskussionsanlass nutzen, um den alltäglichen Umgang mit den Kindern im neuen Licht zu sehen. Vielleicht fallen einem Dinge auf, für die man bislang blind war, und es ergeben sich Lösungswege für Probleme, die verschlossen waren. An einigen Beispielen soll dies im folgenden versucht werden.

1. Der realistische Blick

„‘Von dir hätte ich das niemals erwartet ... Also auch dir kann man nicht trauen?’ Es ist schlimm, daß du das nicht erwartet, und es ist schlecht, daß du vorbehaltlos vertraut hast. Ein armseliger Erzieher bis du: du weißt nicht einmal, daß ein Kind - ein Mensch ist.“

Es gibt Kinder, die mit ihrer Ausgeglichenheit und Fröhlichkeit eine ganze Gruppe tragen. Zum Glück können Sie sich als Erzieherin auf diese verlassen. Es bleibt so genug Zeit für die schwierigen. Und dann macht gerade solch ein Kind unerwartete Probleme: Es heult scheinbar grundlos, oder es gibt im Stuhlkreis nicht eher Ruhe, bis es auf Ihrem Schoß sitzt, oder naseweis klärt es die unschuldigen Mitkinder über die Geheimnisse des Nikolauses auf. Vielleicht denken Sie auch an einen kleinen Jungen, dem Sie ein Übermaß Ihrer Liebe geschenkt haben. Er war so traurig, so anlehnungsbedürftig, so einsam in der Menge der Mitkinder. Deshalb gaben Sie ihm Ihre besondere Zuwendung. Und dann ist gerade er es, der der Barbie-Puppe eines unschuldigen Mädchens die Haare abschneidet. der mit Absicht den riesigen Turm der Jungenbande umstößt, der heimlich ein Auto in seiner Hosentasche mitgehen lässt. Alltägliche, kleine Ärgernisse, aber sie können eine Erzieherin treffen, wenn sie ausgerechnet von den Kindern verübt werden, von denen man glaubte, sich auf die verlassen zu können. Wenn es die Problemkinder gewesen wären, dann hätte man ja mit allem Schlimmen gerechnet. So aber trifft es einen unvorbereitet.

„Ein Kind - ein Mensch“: wir heutigen Erzieher wollen dies gerne glauben. Und zum Beweis der Aufrichtigkeit unserer kindorientierten Einstellung betonen wir: die Kreativität, die Spontaneität, die Sensibilität, die Fürsorglichkeit der Kinder. Die Rollen vertauschen sich: Der Erwachsene ist kaputt, der gesellschaftliche Verkehr hat ihn korrumpiert, im engen Kreis seiner Gewohnheiten ist er gefangen. Auf das Kind werden demgegenüber  alle positiven Eigenschaften projiziert. Es ist die Hoffnung, dass alles zum Besseren sich wenden wird, und schon jetzt ist es der Grund für das Lachen der Großen. Dem Kind wird damit viel aufgebürdet, und unter dieser Last muss es zerbrechen. Ein Kind ist ein Mensch; es ist nicht der bessere Mensch. So wie wir steckt es voller Widersprüche: Es möchte das Gute und verhält sich doch oft so gegensätzlich dazu;  es glaubt, hofft und liebt, und es ist aussichtslos, verzweifelt, ärgerlich; es fühlt die Stärke in sich und wird von Angst überschwemmt; es denkt sich als den Mittelpunkt der sichtbaren und unsichtbaren Welt, und es ist so banal. Es gibt Eheleute, die ihren Partner vergöttern, und Eltern, die dies mit ihrem Kind tun. Doch der Mensch ist nicht Gott, und es tut ihm nicht gut, in den Himmel gehoben zu werden. Allzu leicht stürzt er von dem Denkmal, auf das er gehoben wurde, und er verletzt sich dabei.

2. Erzieherische Liebe

„Mit unverständiger Liebe kann man Kinder martern.“

Kündigten Eltern früher gerne die Geburt ihres „Stammhalters“ an, eine Investition in die Zukunft, durch die Familienname und Geschäft erhalten blieben, so lesen sich heutige Geburtsanzeigen häufig nach dem Muster: „Jetzt tanzen meine Eltern nach meiner Pfeife!“ Es werden weniger Kinder in eine Familie hinein geboren, aber diese werden in vielen Fällen bis zur Vernarrtheit geliebt. Was ist dies für eine „Liebe“, die in stolzer Unterordnung öffentlich prahlt? Ein anderes Beispiel: eine Runde von Erzieherinnen diskutiert über „schwierige Kinder“. Die eigenen Erfahrungen kommen in vielfältigen Beschreibungen von nervigem, aggressivem Verhalten zum Ausdruck. Doch man ist sich auch einig: gerade diese Kinder in besonderer Weise zu lieben. Der Einwand einer Kollegin, man könne doch nicht den lieben, der einen ständig überfordere, hat in der Runde keine Chance. Sind wir in der pädagogischen Beziehung von einer Phase sadistischer zu einer Periode masochistischer Liebe übergegangen?

In Alltagstheorien einer einzelnen Erzieherin hat „Liebe“ als gefühlsmäßige Bindung zu dem Kind unverändert Bedeutung; in Dienstbesprechungen, Arbeitskreisen von Erzieherinnen, Konzeptionen und wissenschaftlichen Veröffentlichungen kommt das Wort kaum mehr vor. Kitschige Schlagersänger, unverbesserliche Romantiker mögen es in den Mund nehmen, die Sprache Professioneller, die mit Evaluationsstrategien aus dem Handbuch von Qualitätssicherung umgehen können, ist eine andere. Der Kapitalismus siegt auch im sozialen Bereich - und da gilt es Waren umzusetzen, ökonomische Kompetenz unter Beweis zu stellen. Gefühlsdusselei stört. Die Wurstverkäuferin soll Sie als Kundin nicht lieben, nur freundlich anlächeln und zuvorkommend ein Produkt verkaufen, das Ihnen so gut schmeckt, dass Sie gleich morgen wiederkommen. Die Kollegin steht dann hinter der Theke. Doch dies merken Sie nicht, weil Kleidung, Lächeln und Zuvorkommenheit normiert sind.

Dies ist eine der Widersprüchlichkeiten unserer pädagogischen Situation: Kleine Kinder können ohne liebende Hinwendung nicht erzogen werden, doch diese wird durch ein bestimmtes Verständnis von Professionalität ausgeblendet. Aber können Professionalität und Liebe miteinander vereinbart werden? Nicht nur können, sie müssen! Unverständige Liebe martert - sagt Janusz Korczak. Sie überschüttet und überfordert ein Kind, sie gibt das Falsche dem Falschen, sie orientiert sich an dem Zuwendungsbedürfnis des Erwachsenen und nicht an der Entwicklungsnotwendigkeit des Kindes. Professionell lieben heißt: mit Verstehen sich dem Kind geben, nicht unterdrücken, sondern Perspektiven eröffnen, nicht sich selbst, sondern das Bedürfnis des Kindes in den Mittelpunkt stellen. Janusz Korczak kann diesen Gedanken von einem anderen großen Pädagogen übernehmen: Johann Heinrich Pestalozzi spricht von der Notwendigkeit der „sehenden Liebe“ in der Erziehung. „Kopf, Herz und Hand“ müssen in Einklang gebracht werden. Das kleine Kind ist angewiesen auf die gefühlsmäßige Verbundenheit mit seinen Erziehern, doch diese müssen sich darum bemühen, das Kind zu verstehen, um seine Entwicklungsbedürfnisse herauszufinden, und die Erzieherinnen müssen in der Lage sein, ihren Körper und ihre Stimme so zu formen, daß sie Werkzeuge und Hilfen für die Eigenaktivität des Kindes sind.

3. Umgang mit verhaltensauffälligen Kindern

„‘Du bist jähzornig’, sage ich zu einem Jungen. ‘Nun ja, dann schlag nur zu, aber nicht zu fest; braus ruhig auf, aber nur einmal am Tag.’“

Es ist eine Mär, dass die Zahl der verhaltensauffälligen Kinder in unserer Zeit sprunghaft angestiegen ist. Dass an dieser Behauptung etwas nicht stimmen kann, belegt ein einfaches Rechenbeispiel: Wohl jede Erziehergeneration hat in der Geschichte diese These zu begründen versucht, und so müsste der Anstieg der schwierigen Kinder zwischenzeitlich bei über 100 % angekommen sein. Die Wahrnehmung von der Zunahme auffälliger Kinder ist wahrscheinlich eher ein Phänomen, dass mit dem Älterwerden des Erziehers im Beruf zusammenhängt. Doch es ist unbestreitbar: Es gibt Kinder, die einem den letzten Nerv rauben können, die den ganzen Tag nichts anderes zu tun scheinen, als lautstark durch den Raum zu chaoten, die offen oder - noch schlimmer - hinterhältig gewalttätig zu den Mitkindern sind.

Mit ein paar guten Worten ist es bei ihnen nicht getan; kaum dreht man ihnen den Rücken zu, nimmt ihr Zerstörungsdrang wieder seinen Lauf. Eine genauere pädagogische Betrachtung zeigt, dass es sich bei ihnen um „verletzte“ Kinder handelt, mag man den Ursachengrund in den Erbanlagen, frühkindlichen Traumata, sozioökonomischen Bedingungen oder desolaten Familienverhältnissen suchen. Doch für den erzieherischen Alltag helfen ausführlich rekonstruierte Begründungsketten zunächst einmal recht wenig. Hier und jetzt muss mit dem Kind umgegangen werden, damit es sich selbst und die anderen nicht in Gefahr bringt. „Überwachung“ ist eine mögliche Strategie, doch diese ist sehr aufwendig und führt überdies zu negativen Begleiterscheinungen, die weder für das auffällige noch für die anderen Kinder wünschenswert sind.

Janusz Korczak schlägt eine andere Vorgehensweise vor, die sich als „Mäßigung“ charakterisieren lässt. Das Kind soll sich mäßigen: in Heftigkeit und Häufigkeit seiner aggressiven Ausbrüche; und - was noch wichtiger ist - der Erzieher soll sich mäßigen: in der Höhe der Meßlatte, die er für das Kind auflegt. Ein Kind ist, wie es ist, und die Möglichkeit der Veränderung durch pädagogische Eingriffe ist begrenzt - dies ist Janusz Korczaks Grundauffassung. Sinngemäß sagt er an einer Stelle, ein Erzieher könne einem „lieben“ Kind nicht befehlen, gewalttätig zu sein. Außerdem ist es für ein solches Kind viel einfacher, den Normen des sozialen Zusammenlebens zu genügen. Für das „jähzornige“ Kind sind die Herausforderungen größer: Wie besiege ich die Wut in meinem Bauch? Wie verarbeitet mein Kopf die in ihm angesammelten gewalttätigen Bilder? Wie wird meine angehäufte Muskelkraft sich in die soziale Atmosphäre des Haufens unterschiedlicher Kinder eingewöhnen? All dies sind Fragen, die viel Zeit zu ihrer Beantwortung benötigen, und rasche Fortschritte sind nicht zu erwarten. Als Erzieher muss ich mich daran gewöhnen, dass es Kinder gibt, die anders sind und anders bleiben werden. Falls Sie eine eher ruhige Kollegin sind, versuchen Sie doch einmal folgende Übung: Nutzen Sie die nächste Dienstbesprechung, um laut schreiend Ihre Forderungen durchzuboxen.

4. Älterwerden im Beruf

„Kinder wollen lachen, herumtollen, ihren Mutwillen treiben. Erzieher, wenn das Leben für dich ein Friedhof ist, so laß doch wenigstens sie es als eine Wiese betrachten.“

Junge Kolleginnen mögen den folgenden Absatz überlesen. Für sie, die gerade dabei sind, die Seite des pädagogischen Tisches zu wechseln, ist es noch einfach, mit den Kindern zu rennen, mit ihnen um die Wette zu schreien, regendurchnässt einen Berg zu erklimmen. Irgendwann mag man nicht mehr, die Bewegungen werden gesetzter, und die Stimme wird gleichförmiger. Es mag sein, dass die Kräfte nachlassen, um ständig ein Kind auf dem Rücken zu tragen, die Nerven ertragen den Lärm oder das ständige Geheule nicht mehr. Um nicht missverstanden zu werden, schiebe ich einen Satz ein: Älterwerden im Beruf der Erzieherin ist nicht nur ein Problem, sondern hat auch unschätzbare Vorteile - die vermehrte Erfahrung, die erhöhte Reflexionsfähigkeit, die größere Distanz. Doch von diesen soll jetzt nicht die Rede sein.

Janusz Korczak hat die Erfahrung des Älterwerdens im Beruf auch gemacht. An einer Stelle schreibt er: „In meinem Innern geht der alltägliche schwere Kampf des Aufsehers mit dem Menschen vor sich, der sich noch daran erinnert, dass er selbst - es ist schon schrecklich lange her - auch einmal ein vierzehnjähriger Junge war.“ Um diesen Widerspruch geht es: die Bedürfnisse der Kinder einerseits und die so anderen der Erwachsenen andererseits. Zwei Hinweise zur Minderung des Widerspruchs seien angebracht. Erstens: machen Sie die Kinder unabhängig von Ihren Befindlichkeiten. Richten Sie den Kindergarten so ein, dass die Kinder lebhaft spielen können, auch wenn Sie der Kopfschmerz plagt oder der Schlaf in der Nacht kurz war. Und zweitens: bleiben Sie im Kontakt mit den Kindern, lernen Sie von ihnen. Es lässt sich wohl nicht verhindern, dass älter werden auch bedeutet, dass der Topf schmerzhafter Erfahrungen zunehmend gefüllt wird - selbst wenn die Bilanz positiver und negativer Erlebnisse zugunsten der ersten ausfällt. Die Verantwortung wird größer, und man spürt ihre Last - beispielsweise beim Tod der eigenen Eltern, deren Stafette man jetzt endgültig zu übernehmen hat. Das Leben ist nicht nur „Wiese“, sondern auch „Friedhof“. Doch die Lebendigkeit der Kinder, ihr Optimismus (hoffentlich!) und „Mutwille“ können ansteckend wirken, sie helfen unserer Erinnerungskraft an den „vierzehnjährigen Jungen“.

5. Was Kinder brauchen

„Vielleicht ist es nicht angebracht, das Zimmer eines kleinen Kindes mit Linoleum auszulegen; vielleicht sollte man lieber eine Fuhre gesunden gelben Sandes darin verteilen und ein Bündel Holz und eine Schubkarre Steine hinzugeben?“

Playmobil, Lego, Duplosteine und Holzbaukästen, Konstruktionsbaukästen und Holzeisenbahn, Plastikeisenbahn und Holzautos, Matchboxautos, Plastikautos und Puzzles, Domino, Lotto, Memory und Buntstifte, Filzstifte, Wachsmalstifte und Fingerfarbe, Farbkasten und Scheren, Prickelstift und Tubenklebe, Flaschenklebe, Kleister und kleine Puppen, mittlere Puppen, große Puppen und Puppenwagen, Puppenherd, Puppenschrank und Verkleidungssachen, Schuhe, Tücher, Garderobe, Spiegel und Hammer, Säge, Feile, Nägel und meine ersten, zweiten, dritten Spiele, Mensch-ärgere-dich-nicht und Bilderbücher, Geschichtenbücher, Märchenbücher, Liederbücher und didaktische Spiele, Lernspiele, Schulvorbereitungsspiele und dies alles in Regalen, Kisten, Schränken, Schubladen, Truhen und das meiste von dem nicht einmal, sondern zweimal, dreimal, viermal und ein Drittel davon in zerbrochenem, fehlendem, abgerissenem Zustand und dazu noch Tische, Tische, Tische und Stühle, Stühle, Stühle, Matten, Bänke und des weiteren Mobiles, baumelnde Äste, beklebte, bemalte Fensterscheiben, Pinnwände, Kinderbilder, Tierbilder.

Listen Sie in einer Inventarliste einmal jedes einzelne Ding Ihrer Kindergartengruppe auf (und schreiben Sie die Katalogpreise jeweils dazu). Ich bin sicher, mehr als 50 % von den vorhandenen Sachen können Sie getrost im Keller verstauen und beim nächsten Basar verkaufen (wo es dann in Kinderzimmer eingeräumt wird, die anteilsmäßig noch überfüllter sind). Man glaubt ja gar nicht, was Kinder (und Erwachsene) alles nicht brauchen. Und noch ein Versuch - diesmal aber wirklich nur ein Gedankenexperiment. Stellen Sie sich einen wilden, etwas flatterigen Jungen vor, versuchen Sie in Ihrem Kopf, ihn allein in einen leeren Raum zu versetzen, und geben Sie ihm ausschließlich eine Sammlung von Holzstöcken. Ich bin mir sicher, dieser Junge, der in einem normalen Gruppenraum hierhin und dorthin rennt, würde für seine Verhältnisse konzentriert und langandauernd spielen.

Janusz Korczak schlägt ein stark abgespecktes Ausstattungsprogramm vor: Sand, Holz und Steine - und dies nicht für das Außengelände, sondern als Zimmereinrichtung. Ergänzen Sie es, wenn Sie wollen, um Seile, Stöcke, Tücher und Boxhandschuhe. Ich bin sehr daran interessiert, einen Erfahrungsbericht von einem Kindergarten zu bekommen, der dies für einen Gruppenraum einmal für drei Monate ausprobiert hat, und ich bin gerne bereit, für die erste Rückmeldung eine Flasche Champagner zu stiften. In der Bundesrepublik Deutschland gab es am 31. 12. 1994

·       46.623 Tageseinrichtungen für Kinder mit

·       3.052.721 Plätzen (Rauschenbach u.a., Die Kinder- und Jugendhilfe und ihre Statistik, Bd. II, Neuwied 1997, S. 328).

Dies bedeutet ungefähr 122.000 Kindergartengruppen. Es müsste darunter doch eine einzige geben, die den Korczakschen Versuch wagen würde (das wären dann 0,0008 % der Gruppen), zumal im Sinne der heute verbreiteten offenen Gruppenarbeit die Kinder bei Nichtgefallen die Möglichkeit hätten, auszuweichen.

6. Abschluss

Ich habe nur einige winzige Bruchstücke Janusz Korczaks ansprechen können. Gerne hätte ich Ihnen weitere präsentiert. Z.B.:

„Man sollte sich davor hüten, gut mit bequem zu verwechseln.“

Oder:

„Das Kind ist wie ein Pergament, dicht beschrieben mit winzigen Hieroglyphen, die du nur zum Teil zu entziffern vermagst; aber einige kannst du löschen oder durchstreichen und mit eigenem Inhalt füllen.“

Oder:

„Alle Tränen sind salzig, wer das begreift, kann Kinder erziehen, wer das nicht begreift, kann sie nicht erziehen.“

Oder auch meinen Lieblingsspruch, den ich groß in mein Büro gehängt habe:

„Ärgere dich nicht: es muß auch solche geben.“

Für alle, die neugierig geworden sind und etwas mehr über Janusz Korczak erfahren wollen, noch einige Literaturhinweise. Zunächst die ausführliche und gut zu lesende Biographie: Betty Jean Lifton: Der König der Kinder - Das Leben von Janusz Korczak (Stuttgart 19914). Übersichtlich und erschwinglich ist auch die kurze Biographie von Wolfgang Pelzer: Janusz Korczak (Reinbek 19944). Momentan erscheint von Friedhelm Beiner und Erich Dauzenrotz herausgegeben eine Gesamtausgabe der Schriften Janusz Korczaks im Gütersloher Verlagshaus. Bislang sind erst drei Bände erschienen, und bevor das umfangreiche Vorhaben zum Abschluß gebracht ist, wird es noch Jahre dauern. Deshalb ist es erforderlich, auf Einzelausgaben zurückzugreifen. Besonders erwähnenswert sind zwei Bücher, die schon vor längerer Zeit erschienen sind: Wie man ein Kind lieben soll (Göttingen 199511) und: Das Recht des Kindes auf Achtung (Göttingen 19945). Darüber hinaus soll auf zwei preiswerte Taschenbücher verwiesen werden: Von Kindern und anderen Vorbildern (Gütersloh 19963) und: Verteidigt die Kinder! (Gütersloh 19925). Für ältere Kinder - aber auch für Erwachsene - geeignet ist eins der Kinderbücher Janusz Korczaks: Der kleine König Macius (Freiburg 19975), das auch unter dem Titel: König Hänschen I und König Hänschen auf der einsamen Insel erschienen ist. Zum Schluss sei auf ein eindrückliches Dokument hingewiesen, das aber für einen Anfänger in den Schriften Janusz Korczaks nicht so einfach zu lesen ist: Tagebuch aus dem Warschauer Ghetto (Göttingen 19962).


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